Abseits des Weges im Heger Holz, der Besucher legt eine Strecke inmitten hoher Bäume auf Waldboden zurück, steht er unvermittelt vor einem Podest. Form und Kennzeichnung des Fremdkörpers im Wald identifizieren es sogleich: ein Siegerpodest, wie es im Sport bei der Ehrung und Preisvergabe nach einem Wettbewerb vor einem Publikum seinen Einsatz findet. Übergangslos, versetzt aus der menschlichen Lebenswelt, steht das Podest als isolierte Realie vor dem Betrachter im Wald. In originalgetreuer Größe, scheinbar transportabel, platziert wie am Rande eines Spielfeldes, verkörpert es einen Ort, der herausfordert. Es ist Sinnbild und Einladung zugleich. Das Podest ist zu betreten. Mit Witz und Ironie stellt es gewohnte Relationen in Frage, bietet Gelegenheit, die eigene Position zu überdenken und auch zu erproben. Rund um diesen überraschend neuen Ausschnitt gerät der Wald zu einem Ort wechselnder Inszenierung.
Bildnerisch angestoßen, eröffnen sich durch den befremdlich-vertrauten Fund in eigentümlicher Distanz zur Natur neue Sichtweisen auf Mensch und Natur. Die zeichenhafte Reduktion der Form und die Konzentration auf ein einziges Element tragen zur raschen Rezeption und zu Aussage und Wirkung des knappen Eingriffes in die Natur bei. Das plastische Zitat ist aus einem nüchtern-massiven Material gefertigt, das üblicherweise für große Bauvorhaben in tragender Funktion eingesetzt wird: Beton. Das Podest bietet Raum für Projektionen. Im Geist ergänzt der Betrachter die leeren Flächen vor Ort. Schnell geraten der Mensch und sein Leistungsstreben, Wettbewerbsdenken und der „Kampf um die besten Plätze“ in den Blick. Bloßgelegt werden so eine fragliche Hierarchie sowie der alleinige Blick auf die Sieger, Selektierung, Wertung und Abgrenzung im sozial-gesellschaftlichen Raum. Skizzenhaft-absurd hat Werner Kavermann dies mit dem Motiv eines Siegerpodestes unter dem Titel „Eins, Zwei, Drei“ in einer kleinen figurativen Keramik-Szene 2005 formuliert.
Die Assoziationen im Heger Holz wandern weiter. Eine Bühne des menschlichen Lebens steht hier im frappierenden Kontrast zum Naturraum. Ein kleiner Sockel ist Ausgangspunkt für neue Erfahrungen in Maßstab und Interpretation. Begrenzt erscheint der Spielraum angesichts der großen Räume gewachsener ökologischer Systeme. Ort und Position des Siegerpodestes sind gut gewählt. Es gibt den Blick frei auf einen bildreichen Kontrast veränderter Natur: eine lichte Zone im Wald, eine spürbar große Schadensfläche, geräumt nach Windwurf, nun ohne jeden Baum, verursacht im Januar 2007 durch den Orkan Kyrill. Ein empfindlich gestörtes Gleichgewicht dient als atmosphärisch-reiche Folie der künstlerischen Setzung. Das Streben des Menschen, wo führt es hin? Mit sich selbst beschäftigt ist er im Nebeneinander des Alltags. Die Arbeiten Kavermanns richten den Blick auf Grundsätzliches, zitiert in modellhaftem Ausschnitt.