Die Plattform fällt in dem Buchenwald sofort auf. Etwa sechsunddreißig Quadratmeter weißer Fläche umfassen waagerecht fünf Bäume knapp oberhalb des Wurzelwerks, durchschnittlich einen halben Meter über dem Waldboden. Hannes van Severen stellt dem Vegetativen des Waldes geometrische Klarheit und Einfachheit entgegen. Eine sachlich nüchterne Begegnung von unterschiedlichen Formprinzipien. Eine begehbare Fläche in praktischer Hinsicht. In ästhetischer Hinsicht ein Einschnitt in der Erscheinung der Natur. Es ist ein Kunstwerk, das wenig darstellt. Aber gerade im Allgemeinen verbirgt sich seine Aussagekraft.
Die weiße Fläche lässt die durch sie eingefassten Bäume wie Ausstellungsstücke wirken. Die Eigenschaften der Bäume werden Gegenstand der sinnlichen Wahrnehmung. Das vertikale Aufragen von einem horizontalen Grund. Die Beziehung der Bäume zueinander. Die Besonderheit in Farbe und Form der Rinde. Die Festigkeit in ihrer haptischen Wahrnehmung. Vieles davon gehört schon zur gewohnten Erfahrungswelt des Betrachters. Die Häufigkeit der Erfahrung bildet das Normale heraus. Das vertikale Aufragen von einem horizontalen Grund ist eine natürliche Erscheinung von Bäumen. Dies ist ein derart normales Bild für unsere Augen, so dass die Besonderheit erst durch das Sonderbare zum Vorschein kommt. Es gibt kaum einen Baum dessen Stamm der absoluten Vertikalen entspricht. Die Besonderheit drückt sich mit jedem Gewachsenen neu aus. Die Eigentümlichkeit in der Natur widerspricht der Idee des Absoluten.
Das Sonderbare, das dies zum Vorschein bringt, ist ein weißes Quadrat, horizontal ausgerichtet, mitten im Wald. Es ist dem Naturraum entgegen gestellt. Nicht wie der urbane oder der technisch geschaffene Raum, sondern wie eine versinnbildlichte Idee des rein geometrischen Raumes. Obwohl die weiße Fläche sinnlich vom Betrachter wahrgenommen wird, kann sie hier doch für ein Gegenbild zum Sinnlichen gesehen werden. In der Abwesenheit von Farbe und Formvielfalt ist sie eine Ikone des Allgemeinen, das alles beinhaltet – so wie Weiß alle Farben beinhaltet. Man könnte also sagen, das Sinnliche der Wahrnehmung steht gegen das Übersinnliche der Vorstellung.
Dass die weiße Fläche, die hier für das Übersinnliche der Vorstellung steht, genauso der Realität unterworfen ist wie der Waldboden, macht sich daran fest, dass der Wald seine Spuren darauf hinterlässt. Ebenso ist es eine begehbare Fläche, auf der der Besucher seine Spuren hinterlässt. Das macht das Sinnliche umso realer. Das Reale sind hier zunächst fünf Bäume und eine weiße Plattform. Oder anders ausgedrückt bekommt der Betrachter einen sinnlichen Eindruck von einem Durchschnitt des deutschen Buchenmischwaldes. Man kann an dieser Stelle in seiner Vorstellung ein wenig abschweifen und sich ausmalen, wie die gleiche Stelle in einigen hundert Jahren aussähe, würde man sie sich selbst überlassen.