Frank Gillich

Form Formen

Zipfelblumen

Spuren des Prozesses

Das Verhältnis von Natur und Technik scheint zunächst eines in Gegensätzen zu sein. Wächst es in der Natur gerade so, wie es will, so ist die Technik zielgerichtet und geplant. Die Vorstellung, dass hinter den Phänomenen der Natur ein großer Plan steckt, kommt zwar mit der christlich-fundamentalen Bewegung des „Intelligent Design“ wieder auf. Dennoch, der Gegensatz von Wildnis und Zivilisation ist in unseren Köpfen fest verankert. Man könnte an dieser Stelle Frank Gillichs Formen mit versunkenen Städten im Urwald assoziieren. Der Blick soll hier aber auf etwas anderes gelenkt werden, auf die Analogie zwischen dem ästhetischen Erscheinen des Natürlichen und dem des Technischen. Denn dieser Vergleich verlangt eine Klärung des Verhältnisses, in das sich der Mensch zu seiner Umwelt setzt – seiner natürlichen und seiner technisch geschaffenen.

Die Formen, hat man sie erstmal zwischen den Pflanzen des Botanischen Gartens entdeckt, weisen eine klare Linie auf. Sie heben sich durch die einheitliche Oberfläche des Betons von ihrer Umwelt ab. Ebenso äußern sie eine Formsprache, die sie von Natursteinen unterscheidet. Linien und Flächen weisen eine klare horizontale und vertikale Ausrichtung auf. Einschnitte, Vorsprünge und Rundungen lassen die Formen in ihrer Vielfältigkeit klar strukturiert erscheinen. Die vorgefundenen Industrieverpackungen, die Gillich mit Beton ausgegossen hat, sprechen eine Sprache, so als gäbe es einen Prototypen von dem diese Formen Abwandlungen sind, ohne das Prinzip zu verlassen. Hier folgt ein ästhetisches Erscheinen einem funktionalen Prinzip.

Das Prinzip, das die Entstehung der Verpackung leitete, ist einfach: größtmöglicher Schutz bei minimalem Lagerungs- und Materialaufwand. Es ließ letztendlich das Negativ um ein Produkt herum entstehen, das Gillich dann im Positiv der Skulpturen abbildet. So zeigt sich der Raum in einer Form, die aus funktionalen Gründen Wirklichkeit ist. Ebenso werden natürliche Zustände Wirklichkeit. Das Werden in der Natur aber vollzieht sich nicht in vorausschauend planender Weise, sondern ist ein intentionsloser Vorgang. Evolution geschieht durch Selektion aus der Fülle von intentionslos Produziertem.

Analogien zwischen Natur und Technik gibt es schon sehr lange. Aber kann man das Verhältnis in einer einfachen Analogie sehen, oder betrachtet man Natur als nicht vom Menschen geleiteten Prozess und Technik als Eingriff in diesen? Oder geht beides zusammen?

Hier schließt sich Gillichs zweite Arbeit an. Das Bild der Zipfelblumen wirkt wie eine Aufreihung gebundener Plastikblumen. Dahinter steht die Arbeitsweise des Künstlers, durch Sammeln und Neu-Arrangieren Muster sichtbar zu machen. Unweit der Mülldeponie am Piesberg entdeckte er diese Wurstverpackungsreste. Dort hingetragen wurden sie durch Krähen, die die letzten Reste aus den Zipfeln verwerteten. So ist durch die Kunst ein Kreislauf geschlossen, angefangen bei der Verpackungs- und Müllentsorgungstechnik über die absorbierende Natur zu einer ästhetischen Neuerscheinung, die immer auch eine neue Fragestellung beinhaltet.

Text: Oliver Konen