Eine Meute mit Melonen unterm Arm als Zuschauer und Objekt zugleich. 500 Wassermelonen arrangiert Elisabeth Lumme auf einer Wiese am Rubbenbruchsee zu einer temporären Skulptur. Dazu stellt sie ein Schild mit der Aufschrift „Zum Selbstpflücken“ auf. Das allein ist natürlich bereits eine deutliche Intervention. Zwar wird hier mit natürlichem Material gearbeitet, allerdings könnte es für das Osnabrücker Umland kaum eine exotischere Frucht geben als die Melone.
Mit den Mitteln der Kunst macht Lumme deutlich, dass die Natur gern als Warenlieferant wahrgenommen wird und nicht als ein fragiles System, das sich ebenso leicht auflösen kann wie diese installative Skulptur. Alle Passanten, Jogger, Wanderer, die an diesem Tage an der Arbeit vorbeikamen, waren nämlich eingeladen mitzuwirken und diese Melonenskulptur Stück für Stück aufzuessen und abzutragen. Skurrile Begleiterscheinung war, dass beinahe jede Person, die durch das Naherholungsgebiet streifte, auf dem Gepäckträger oder unter dem Arm eine dicke Melone mit sich herum trug.
Mit dieser Arbeit macht Lumme zunächst das „Geschenk“ der Natur erfahrbar, denn pralle, saftige Melonen sind symbolträchtige Elemente der Verlockung, die nun einmal fast jeder mag. Es geht also zunächst um das Erzeugen eines Glücksgefühls. Darüber hinaus reformuliert sie einmal mehr die Frage nach dem Ewigkeitscharakter von Kunst. Dies macht sie via Natur als Arbeitsmaterial.
Lumme, die sich mit Skulptur und Videokunst einen Namen als medien- und diskurskritische Künstlerin gemacht hat, verlässt hier den Pfad des präzisen Offenlegens und entwickelt eine Arbeit, deren Verlauf sie nicht kontrollieren kann. Dass sie dafür den Preis der vollkommenen Auflösung bezahlt, ist sowohl inhaltlich als auch formal konsequent. Dennoch bleibt sie auch hier ihren Interessen treu. Wenn sich nämlich um diese Arbeit Szenen zwischen versinnbildlichter Überflussgesellschaft und „Kunstgenuss“ aus Armut abspielen, wird Lummes Interesse für soziale Realität deutlich.
Eine Videodokumentation gehört zur Arbeit, um Reflektion auch nach dem Event zu ermöglichen. Etwas weiter gefasst funktioniert eine derartige Arbeit natürlich auch als Ausgangspunkt für Kommunikation. Schnell sprach sich am Tag des Aufbaus herum, dass hier etwas Ungewöhnliches stattfindet. Dementsprechend schnell wurden auch Fragen bezüglich der Herkunft der Früchte gestellt, Parallelen zum Klimawandel gezogen und einfach gemeinsam gegessen. Insofern erfüllt diese Arbeit mehrere Funktionen: Sie ist im wahrsten Sinne des Wortes zugänglich und funktioniert als sinnstiftendes Element für einen Ausflug. Darüber hinaus schärft sie den Blick für die Dichotomien fremd/bekannt oder exotisch/verfügbar. Die interaktive Qualität, die die Künstlerin anhand einer Videodokumentation im Nachhinein belegen kann, trägt das Projekt aus dem Naturraum zurück in die Wohngebiete. Konzept-Kunst und Kirmes, Fluxus und Vergnügen bringt Lumme in einer wohlkomponierten Leichtigkeit zusammen, die im besten Sinne des Wortes ein Nachspiel hat.