Mit scharfem Kontrast stechen gekippte, rechteckige Stahlkonstrukte aus der weichen, welligen Rasenlandschaft hervor. Weil diese noch die Original-Rasenschicht auf sich tragen, entsteht der Eindruck, die Formen brächen aus dem Untergrund hervor.
Die Dynamik tektonischer Aktivität wird gern vergessen, unterschätzt oder ignoriert. Aber niemand entkommt ihr. Betrachtet man die Arbeit Benoit Tremsals, versteht man auch warum: Schnell stellt sich ein extremes Unbehagen ein, wird man gewahr, dass der vermeintlich feste Boden ein lebendiges, pulsierendes Leben im Untergrund führt. Somit ist also eine grundlegende Prämisse, die wir für die Wahrnehmung von Welt und Raum nutzen, außer Kraft gesetzt. Die Sicherheit, die der Boden eigentlich bieten sollte, wird genommen. Denn obwohl die Art der skulpturalen Erscheinung eine Beiläufigkeit suggeriert, ist gerade die präzise Ausführung die Stärke der Arbeit von Benoit Tremsal.
Die Zuordnung der Arbeit zur Sphäre der Kunst erfolgt erst im zweiten Schritt. Ausgangspunkt ist die automatisch im Betrachter einsetzende Wahrnehmung des Bodens, auf dem er sich befindet, des Untergrunds, der Geschichte. So weitet sich der Blick auf die umgebende Landschaft auf. Die Skulptur hört nicht in ihrer eigenen Form auf, sondern sprengt ihre Begrenzung, indem sie Reflektion über die gesamte Raum- und Umweltstruktur heraufbeschwört.
Tremsal gibt dem Dialog zwischen Kultur und Natur einen Raum, indem er das eine in das andere integriert – oder umgekehrt. Das Gemachte, Winklige, Maskulin-Menschliche wird dominiert vom weiblich-weichen Prinzip einer stillen aber machtvollen „Mutter Erde“. Die klare Form der Arbeit lässt allerdings keinen Raum für Esoterik, sondern ist prinzipiell dekonstruktivistisch zu verstehen. Durch diese Kontrastierung erhält die Arbeit ihren Charakter der Unausweichlichkeit. Tremsal entgeht dadurch der Gefahr, dass seine Arbeit wie Dekoration wirkt.
Neben der räumlichen Reflexion wird auch eine zeitliche in Gang gesetzt. Indem die metallenen Formen ungleichmäßig aus der Erde ragen, werden Assoziationen zu archäologischen Ausgrabungen geweckt. Das Vergangene kommt ungeordnet und ungewollt an die Oberfläche und nimmt ein weiteres Stück unserer Sicherheit, unseres Selbstverständnisses. Untergegangene Zivilisationen, Katastrophen und Kriege bilden die Sedimente unserer Geschichte, die Benoit Tremsal in dieser strengen Struktur zu einem Sinnbild verdichtet.